Daniel Hornuff

© Felix Grünschloß

Vernetzte Kunst

Daniel Hornuff über das Verhältnis von künstlerischer Praxis

und Sozialen Medien

aus: KUNSTZEITUNG, Februar 2018, Nr. 258, S. 15

 

 

 

 

 

 

Die Sprechstunde begann im Plauderton. Ob ich ihm, dem frischgebackenen Absolventen eines künstlerischen Studiengangs, dazu raten würde, nun ein öffentlich einsehbares Facebook-Profil anzulegen? Warum denn nicht, entgegnete ich, vorsichtig darauf spekulierend, dass mein Gesprächspartner einen noch nicht ganz klar artikulierten Vorbehalt in sich trug. Und tatsächlich entwickelte sich die Unterredung im Handumdrehen zu einer grundlegenden Reflexion über die Rolle des Künstlers in einer Gesellschaft der medialen Oberflächen. Worin unterscheidet sich das künstlerisch-ästhetische Arbeiten von dem privat-ästhetischen Handeln der Abermillionen User? Existiert so etwas wie eine medienästhetische differentia specifica, die es Künstlern erleichtert, ihr Verhältnis zu den Social Media zu definieren?

 

Klar ist: Die Beziehung zwischen der künstlerischen Praxis und den Sozialen Medien umfasst weit mehr als es herumstreunenden Künstlerberater glauben machen wollen. Ihnen erscheinen die Sozialen Medien einzig als erweiterte Flächen zur Selbst- und Werkpräsentation. Ein Auftritt auf Facebook, so das Credo, diene dazu, die eigene Bekanntheit auszubauen, Einblicke in Werkprozesse und Ideenfindungen zu gewähren und somit in ökonomische Attraktivitätssteigerungen zu investieren. Bedrückend unterkomplex wird denn auch etikettiert: „Wie Künstler mit Social Networks bekannt werden. Im Internet richtig kommunizieren mit Facebook, YouTube, Twitter & Co“.

 

Völlig unbedacht bleibt, dass sowohl die Art der Selbstpräsentation als auch der öffentliche Umgang mit Werk- und Ideenentstehungen inhärente Bestandteile der jeweiligen künstlerischen Praxis sind. Mit anderen Worten: Die Sozialen Medien in die eigene künstlerische Arbeit zu integrieren, bedeutet, diese Arbeit in einer spezifischen Weise auszurichten und zu prägen. Facebook, Twitter und – im Besonderen – Instagram sind mediale Plattformen, die Künstler ebenso folgenreich nutzen bzw. bespielen wie alle anderen Medien auch. Wer glaubt, diese Formate seien bloße Multiplikatoren eines vorab in seiner Bedeutung festgelegten Werkes, vergisst, dass jedes Medium an der Bedeutungsproduktion seines Inhalts mitbeteiligt ist.

 

Zusätzlich wird übergangen, dass die Sozialen Medien vorrangig dem Akt der Kommunikation dienen. Ein Social Media-Auftritt ist systematisch unterschieden von einem Auftritt in einem white cube-Arrangement. Geht es letzterem darum, das Werk profan-lebensweltlicher Bezüge zu entheben und es zu einer autonomen, quasi-heiligen Autorität zu stilisieren, ist ein gepostetes Instagram-Foto automatisch in den Fluss des Lebens – in den Strom der Kommunikation – eingespeist.

 

So erscheint es als ein im besten Sinne relationales Ereignis. Es steht in Bezügen zu Vor- und Nachbildern, dient als Vorlage zu Über- und Weiterverarbeitungen; vielleicht wurde es selbst von einem bereits lancierten Post angeregt, fügt diesem also neue Aspekte hinzu und ist – dies vor allem! – keineswegs auf Dauer angelegt. Gedacht für und gebunden an den Moment taucht es im Laufe der Zeit wieder unter. Bei vielen großen Geistern hingegen – erinnert sei an Walter Benjamin – hatten sich die Kunstwerke noch gegen die Angriffe der Geschichte durchzusetzen, ja wurden sogar erst als originale Kunstwerke erkenntlich, wenn sie sich den Zumutungen der Zeiten enthoben hatten.

 

Doch wird gerade damit deutlich, dass die Differenzen zwischen einem Social Media-Auftritt und einzelnen Strömungen der Kunstgeschichte gar nicht so groß sind, wie es noch heute viele meinen. Immerhin existieren ganze Kunstbewegungen und sogar bedeutendste Kunstepochen, die sich vorrangig über Prinzipien der Wiederholung, der Neuinterpretation, der Überbietung und reaktivierenden Entfaltung definieren. Gerade die Kunstgeschichte hat den Mythos von der Existenz einer radikalen Neuheit längst entzaubert – und gezeigt, dass jede künstlerische Äußerung in anderen Entwicklungsgängen wurzelt, ja ihnen mitunter sogar direkt antwortet. Kunstgeschichte ist nur zu verstehen, wenn ihr ein Verständnis anhaltender und weitverzweigter Einflussgeschichten zugrunde gelegt wird.

 

Wenn nun die Düsseldorfer Arthena Foundation mit Affect Me. Social Media Images in Art eine Ausstellung prononciert, dann sind deren Positionen vor dem Hintergrund eines breiten kulturgeschichtlichen Panoramas zu betrachten. Das Anregungsmoment der Affektion mag zwar vor allem die Beziehung zwischen Bild und Betrachter aufzeigen. Es ruft aber zugleich in Erinnerung, dass die affizierende Anregung einen Grundmodus des ästhetischen Schaffens darstellt – dass dieses also nur als ein grundsätzlich vernetztes und vernetzendes Arbeiten zu denken ist. Die Frage nach der Relevanz der Sozialen Netzwerke für das künstlerische Arbeiten ist im Kern eine Frage nach den Bezügen, durch die die jeweilige Arbeit mit Bedeutung versehen wird.