Daniel Hornuff

© Felix Grünschloß

Markt und Macht

Daniel Hornuff über Künstlerkritik am Einfluss privater Geldgeber

aus: KUNSTZEITUNG, Oktober 2019, Nr. 278, S. 3.

 

 

 

 

 

An sogenannten "Leitfäden" zum Kultursponsoring herrscht kein Mangel. Jährlich erscheint eine Handvoll Schriftstücke. Jedes von ihnen behauptet selbstgewiss, bei Befolgung der jeweils veranschlagten Empfehlungen private Geldquellen völlig ungebremst in Konzertsäle, Theaterhäuser oder Museen einströmen lassen zu können. So unterschiedlich die Ratgeber dabei ausfallen, eines ist ihnen gemeinsam: Das Bekenntnis zum totalen Wettbewerb.

 

So heißt es in einem entsprechenden Flyer aus dem Jahr 2008: "Um ein Museum bei Sponsoren erfolgreich vermarkten zu können, muss das Museum selbst zur Marke werden." Klar: Geld wird nur gegeben, wenn eine Win-win-Situation zu erwarten ist. Und diese scheint umso wahrscheinlicher, je fetter der Begünstigte seine "emotionalen Werte" herausstreicht und – besser noch – "klare Besucher-Nutzer-Werte" zu vermitteln weiß. Kommt es schließlich zur "Förderung", ist die Sache auf Unternehmensseite eindeutig – jedenfalls dann, wenn man einer anderen Marketing-Fibel von 2006 glauben mag. Darin heißt es: "Hauptgründe für Kultur-Sponsorings sind Imagepflege, Kundenbindung und Dokumentation der Bereitschaft, gesellschaftliche Verantwortung übernehmen zu wollen." Und "außerdem demonstrieren Kultur-Sponsoren über ihre Engagements letztlich auch, dass sie sich vom medialen Mainstream abheben wollen."

 

Aha. Hier ist die Welt also noch in angenehmster Ordnung. Alles und jeder hat seinen Platz: Kulturleute brauchen meist Geld und Wirtschaftsleute oft gute Taten. Auf der Ebene ihrer jeweiligen Teilnahme am Markt treffen sie sich zur wechselseitigen Stärkung. So könnte man in herrlich-trauter Eintracht jahrein jahraus vor sich hinfördern – gäbe es da nur nicht diese Künstler! Ewige Nörgler und Störenfriede, nicht selten mit einem lauten „Aber“ zur Stelle und rasch ungehalten, wenn (private) Unternehmen und (öffentliche) Institutionen nur mal kurz die Köpfe zusammenstecken wollen.

 

"Es geht mir nicht darum, ob ein Mäzen schlimmer ist als andere Förderer. Es geht mir darum, das Prinzip als solches zur Debatte zu stellen" – so zuletzt die Künstlerin, Filmemacherin und Autorin Hito Steyerl. Für sie sei die Situation im deutschsprachigen Raum zwar nicht vergleichbar mit der Einflusskraft von Mäzenen in England oder den USA. Doch gerade daher ergebe sich "jetzt ein sehr guter Moment, den Einfluss privater Sammler und Stiftungen auf den öffentlichen Kunst- und Kulturbetrieb einer kritischen Prüfung zu unterziehen" – auch, um nicht in Gefahr zu geraten, "sehenden Auges in diese Problematik hineinzulaufen."

 

Hintergrund von Steyerls Forderungen dürften die Proteste der Fotografin Nan Goldin gewesen sein. Goldin kämpft seit Jahren gegen den Hersteller eines Schmerzmittels, das im dringenden Verdacht steht, tausende Menschen in medikamentöse Abhängigkeiten versetzt zu haben. Goldins Protest, artikuliert in Museen ebenso wie im öffentlichen Raum und in Interviews, entzündet sich spezifisch jedoch am Kultursponsering der Besitzer-Familie Sackler. Goldin pocht dabei auf eine komplette Zurückweisung entsprechender Geldgaben.

 

Inzwischen hat sich der zunächst persönlich vorgetragene Protest zu einer kleinen Bewegung – "Sackler Pain" – ausgeweitet. Ihr gehören rund 40 Aktivisten an, deren Ziel es ist, die weltweiten Verbindungen der Museumsszene zur Unternehmer-Familie zu kappen. Erreicht ist nach Goldins Dafürhalten dieses Ziel allerdings erst, wenn nicht nur sämtliche Geldflüsse gestoppt sind – was inzwischen geschehen sein soll –, sondern dann, wenn innerhalb der Museen kein Verweis mehr auf die Familie oder deren Mitglieder zu finden ist.

 

Interessant ist dieser Protest, weil er auf finanzieller und symbolischer Ebene einen Komplett-Entzug einfordert, dem sich – in ungleich existenziellerer Weise – auch viele Betroffene des Medikaments stellen mussten. Goldin, die einst wohl selbst in Abhängigkeit zum opiathaltigen Schmerzmittel "OxyContin" stand, konfrontiert damit jene Kulturinstitutionen, die sich ebenfalls auf Zuwendungen des Unternehmens verlassen. Aus der physiologischen Erfahrung wird ein institutions- und systemkritisches Vorhaben abgeleitet, ja dieses gewinnt überhaupt erst seinen dramatischen Zuschnitt, weil es einem persönlichen Kontakt zu entspringen scheint.

 

Dies aber zeigt: Die Auseinandersetzung mit Formen des Kultursponsorings geht über die Frage nach der Wettbewerbsfähigkeit hinaus. Sich auf private Geldgeber einzulassen bedeutet, eine zumindest indirekte Mitverantwortung zu deren Weisen der Geldakkumulation zu übernehmen. Und damit unterscheidet sich die private Förderung von Kultureinrichtungen wiederum nicht von Voraussetzungen, die der Welt des Warenkonsums generell zugrundeliegen. In beiden Fällen können sich Begünstigte nicht davon freisprechen, in eine Beziehung zu den Bedingungen der an sie überreichten Güter einzutreten.